Merkel: Pretty Guardian Sailor Moon Eternal

stonekollektiv feat. Katarína Marková

Eben noch haben wir die mächtigste Frau Deutschlands im Vogelpark Marlow mit Sittichen posieren sehen und schon ist sie im Ruhestand. Eine Ära geht zu Ende – keine Episode. Und eine Leerstelle, ein Machtvakuum entsteht. Während Olaf, Markus, Armin, Christian und Robert versuchen, auf legalem Wege die Strippen in die Hand zu bekommen, begeben sich Kapp und Nitschke im Rahmen ihrer #TakeHeart-Residenz auf die Suche nach alternativen, machtkritischen Strategien, um eine von ihnen lang ersehnte Veränderung im politischen Deutschland umzusetzen. In der Residenz 2022 erinnern sich die Millennials Kapp und Nitschke dafür zuerst sehnsüchtig an die brutal schönen Heldinnen ihrer 90er-Jahre-Kindheit: Sailor Moon und ihre Sailor-Kriegerinnen. 1991 erschien das erste Kapitel der Saga in einem japanischen Manga-Magazin, gezeichnet von einer Frau namens Naoko Takeuchi. Mit der Geschichte um eine wiedergeborene Prinzessin, die als Teenagerin im Japan der 90er-Jahre lebt und dort, ihre vom Mond geschenkten Superkräfte entdeckt, richtete Takeuchi sich gezielt an Mädchen und junge Frauen, die ihre Heldinnen auf dem Weg zum Sieg über die Dunkelheit begleiten wollen. Dem Genre des „Magic Girls” zugehörig, in dem gewöhnliche Schulmädchen magische Fähigkeiten erlangen, entspinnt sich über viele Episoden ein Kampf geprägt durch Freundschaft und Mut. Mit ihrem queeren Blick auf das Sailor-Moon-Universum erforschen die Künstlerinnen die gecodete Charaktere und ihre Widerstandspraktiken, um sie zu queeren. Wie auch die Sailorkriegerinnen führt Kapp und Nitschke ihre Recherchereise durch Raum und Zeit, um Kampfhandlungen und Widerstandspraktiken von Frauen und Flinta-Personen für ihr großes Vorhaben, Deutschland macht- und diskriminierungskritisch zu regieren, zusammen zu tragen. Die Residenz umfasst eine Reise in die Slowakei zu der ehemals größten Panzerfabrik im damaligen Ostblock, um eine Informantin zu treffen: Katarína Marková, eine Performancekünstlerin, die sich mit der Performativität von Panzern und Körperpanzern auseinandersetzt, die Künstler*innen trainiert und sich ihnen anschließt. Zusammen mit ihr studieren und proben sie Widerstandsstrategien von Frauen, wie die Geschichte der polnisch-jüdischem Ballerina Franceska Mann, die in Auschwitz einen SS-Offizier mit ihrem Stöckelschuh erstach und mit seiner Waffe drei weitere SS- Männer erschoss. Sie treffen auf Katharina Karcher, Autorin von Sisters in Arms, und ehemalige Anhängerinnen der Roten Zora, einer radikal-feministischen Terrororganisation der 80er-Jahre. Auch die Praktiken gegenwärtiger Kriegerinnen wie zum Beispiel die der belarussischen Oppositionspolitikerin Maryja Kalesnikawa und die Schriften der belarussischen Autorin Swetlana Alexijewitsch, die 1985 ein Buch über Kriegserfahrungen aus weiblicher Perspektive veröffentlichte, werden studiert und fließen in ihr Szenario zu einer machtkritischen Reformulierung politischer Führung in Deutschland mit ein.

stonekollektiv

Die Regisserin Caroline Kapp (München) und die Performancekünstlerin Julia Nitschke (Bochum) erarbeiten seit 3 Jahren als stonekollektiv absurde Performances zur aktuellen Gesellschaftspolitik. Dabei hinterfragen sie Erinnerungspolitiken und Identitätskonstruktionen in Bezug auf Deutschland, das Land, in dem sie geboren und aufgewachsen sind. In ihrer bisher zehnteiligen Performancereihe ‚Labern übers eigene Land‘ arbeiten sie sich daher an tagespolitischen Ereignissen in Deutschland vor dem Hintergrund deutscher Geschichte ab. Zuletzt waren ihre Arbeiten wie ‚Deutschland. Ein Labermärchen‘, ein Mash-up aus Heines Wintermärchen und dem sogenannten deutschen Sommermärchen der Fußball-WM 2006, am Schauspielhaus Bochum, PATHOS München, Ringtheater Berlin, Bildstörung Festival Detmold, sowie ihre zwölfte Episode ‚Labern Übers Eigene Land‘ am Märkischen Museum Witten zu sehen.

Caroline Kapp

Caroline Kapp ist freischaffende Regisseurin und Performerin. Ihr Arbeitsschwerpunkt liegt auf der Auseinandersetzung mit Geschichtsschreibung, Erinnerungspolitiken und dem (un)kollektiven Gedächtnis.

Julia Nitschke

Julia Nitschke ist Performancekünstlerin mit großem Interesse für queer-feministische Archivarbeit. Zuletzt konzipierte sie die performative Ausstellung Emanzenexpress zu feministischen Kämpfen in Ruhrgebiet.

Katarína Marková

Katarína Marková, Teil des Performance Kollektiv MFK Bochum, bewegt sich und lebt auf der Trajektorie zwischen Bratislava und Bochum. Ihre künstlerische Arbeit oszilliert zwischen ortsspezifischer Kunst, Installationen und Performance Art.